Blizzard!

Blizzard!

Das Schnee jemals auch eine Schattenseite für mich haben könnte, hätte ich nie gedacht, aber dazu später mehr.

Fangen wir erstmal wieder von vorne an. Am Montag hatten die Kinder keine Schule, da es Martin Luther King Day war. Dieser Feiertag wurde extra auf seinen Geburtstag gelegt. Macht ja auch Sinn. Allerdings hatten nur die Kinder frei und meine Gasteltern mussten arbeiten. Demnach hieß es auch für mich zehn Stunden durcharbeiten. Ich weiß gar nicht mehr, was wir alles gemacht haben, aber wir waren nachmittags auf jeden Fall wieder Schlittschuhlaufen.
Ich liebe Schlittschuhlaufen und bin sehr froh, dass der Eisrink nur ein paar Minuten mit dem Auto enfernt ist. Auch die Mädchen lieben es. Natürlich mault Ella vorher immer rum, dass sie das eigentlich nicht machen möchte, aber später ist sie auf dem Eis nicht mehr zu stoppen.
Leider hatten auch sehr viele andere Leute die selbe Idee wie wir und daher war es auf dem Eis einfach nur total überfüllt. Die Leute fallen sekundenweise immer auf ihren Hosenboden und kleine Kinder sind einfach nur tausendmal besser als man selber und fegen durch die Menge. Die „großen“ Leute, die schnell unterwegs sind, sind allerdings ziemlich zum Kotzen, da sie einen gerne mal schneiden.
Wie immer bin ich froh, wenn ein Zehn-Stunden-Tag vorbei ist (Ich weiß, ich bin mit meinen Arbeitszeiten ziemlich verwöhnt) und war froh, dass die Kinder den Rest der Woche normal Schule haben. So habe ich gedacht. Aber damit lag ich bedauerlicher Weise ziemlich falsch.

Schon am Montag stand fest, dass ein großer Schneesturm Virginia und eigentlich fast die gesamte Ostküste treffen wird. Daher hieß es für die Amerikaner erstmal bunkern, bunkern, bunkern. Schließlich war es relativ sicher, dass man das gesamte Wochenende im Haus verbringen musste. Im Supermarkt waren zeitweise sogar Brot und Milch ausverkauft und allgemein waren die Läden total überfüllt.
Der Bezirk postete auf seiner Facebook-Seite wie gut er auf die Schneemassen vorbereitet sei. Davon durften wir am Mittwoch schon eine Kostprobe haben.

Abends bin ich mit meinem Host Dad und den Kindern auswärts Essen gegangen und genau zu diesem Zeitpunkt fing es an leicht zu schneien. Da der Boden gefroren war, blieb der Schnee sogar liegen. Die Mädchen waren natürlich total aus dem Häuschen und auch ich habe mich sehr gefreut. Wer mich näher kennt, weiß, dass ich Schnee liebe.
Es war lustig, dass jedesmal wenn Claire aus einem Auto ausgestiegen ist oder aus einem Gebäude getreten ist, sie wieder total begeistert ausgerufen hat. „Es schneit!“ Man hätte annehmen können, dass sie in der Zeit, die sie im Auto oder Gebäude verbracht hat, vergessen hat, dass es schneit.
Ich weiß nicht warum, aber der Schnee blieb sogar auf den Straßen liegen. Dabei ist der Lee Highway ziemlich stark befahren und es war zudem noch Rushhour.
Ich schätze mal, dass ungefähr ein bis zwei Zentimeter Schnee liegen geblieben sind. Das ist nicht gerade viel, aber es hat total ausgereicht, ein Chaos auf den Straßen in und um DC herum auszulösen. Normalerweise brauchen wir für die Strecke heim zehn Minuten. Ziemlich bald fanden wir aber heraus, dass es auf dem Lee Highway nicht oder nur sehr langsam voran ging. Also ist mein Host Dad auf eine Nebenstraße ausgewichen. Aber Pustekuchen, auch hier kamen wir nicht voran, da ein Auto mitten auf der Straße stand und nicht weiter kam und zu allem Übel auch noch ein Bus direkt neben ihr feststeckte. In der Zwischenzeit sind die Autos an uns vorbeigeschlittert und ein Auto hat fast den Wasserhydranten getroffen.
Also hieß es wieder zurück zum Lee Highway, nur um kurze Zeit später auf eine andere Straße auszuweichen. Hier kamen wir sogar voran, auch wenn sich an den Straßenrändern die Auffahrunfälle und festgefahrene Autos nur so tummelten.
Kurz vor unserem Ziel, mussten wir einen steilen Hügel hinauf. Leider waren auf unserer Straßenseite auch noch Autos geparkt. Also mussten wir in die Mitte der Fahrbahn ausweichen. War auch alles kein Problem, da kein Auto in Sicht war. Auf halben Weg nach oben, kam uns dann allerdings doch ein anderes Auto entgegen. Jeder vernünftige Mensch hätte abgebremst und gewartet, bis wir die geparkten Autos hinter uns gelassen hätten. Besonders in diesen Wetterbedingungen nimmt man doch auf einander Acht. Nicht aber so dieser Autofahrer. Der ist einfach kackfrech weitergefahren und hat uns dabei auch noch angehupt. Solche Menschen würde ich gerne mal verstehen. Da wundert es mich gar nicht mehr, dass in dieser Nacht über 1000 Unfälle in und um DC herum gezählt wurden.

Wir haben für die gesamte Strecke mehr als eine Stunde gebraucht und es war keine angenehme Fahrt. Schließlich hatten wir zwei übermüdete Kinder auf dem Rücksitz, die sich abwechselnd gestritten haben oder sich über die Situation bechwert haben. Solche Sätze im Sinne wie „Mussten wir heute wirklich auswärts Essen gehen?“ haben wir nicht nur einmal gehört. Als ob wir gewusst hätten, dass die Hälfte der Amis zu blöd ist, im leichten Schnee Auto zu fahren. Da kommt mal wieder die mangelnde Fahrausbildung in diesem Land zu Tage.
Am nächsten Tag musste der Bezirk einen ziemlichen Shitstorm über sich ergehen lassen, da sie ja angeblich so gut auf Schnee vorbereitet gewesen seien.

Und ob ihr es glaubt oder nicht, aufgrund dieser zwei Zentimeter Schnee, sind hier doch tatsächlich die Schulen ausgefallen. Wegen ZWEI Zentimeter!!! Das müsst ihr euch mal vorstellen. Da hätte mein ehemaliger Direktor einen Lachanfall bekommen, wenn er wegen so wenig Schnee aufgefordert geworde wäre, seine Schule zu schließen.
Wir oder besser gesagt ich haben das beste aus der Situation gemacht und sind raus gegangen. Eigentlich wollten wir nur einen Spaziergang machen, aber dann haben wir andere Kinder mit Schlitten getroffen und wie das hier so in den USA ist, wird gerne geteilt und meine Mädchen waren schließlich ziemlich damit beschäftigt, die Straße runter zu rodeln. Später ging es sogar noch in den Garten der anderen Kinder, um dort im Schnee zu spielen. Obwohl es nur so wenig Schnee war, waren die Nebenstraßen trotzdem immer noch mit einer Schneeschicht bedeckt. Mama, du hättest es geliebt!

Das am Freitag die Schule ausfallen würde, war natürlich klar. Schließlich reden wir hier von dem Tag des großen Sturms. Der sollte allerdings erst am Nachmittag anfangen und daher habe ich mich mit Ella und Claire auf den Weg zum Schlittschuhlaufen gemacht. Im Parkhaus konnten wir aber nicht bis aufs Dach fahren, da dieses aufgrund des Sturmes schon abgesperrt war. Also mussten wir ein bisschen länger als sonst zur Halle laufen.
Aber ich kann euch sagen, kurz vor einem angesagten Sturm in den USA Schlittschuhlaufen zu gehen, ist die beste Idee, die man haben kann. Ihr erinnert euch noch, wie voll es am Montag war. Am Freitag waren wir am Anfang sogar ganz alleine auf dem Eis. Später kamen noch andere Leute, aber trotzdem waren wir immer noch weniger als zehn Mann. Da macht das Schlittschuhlaufen doch richtig Spaß. Ella hat auch gleich einen neuen Freund gefunden und die beiden haben Versteinern gespielt. Wie sehr mich das an meine eigenen Kindheit erinnert hat.
Claire ist trotz Skate-Unterricht immer noch sehr wackelig auf den Beinen. Sie hat das Prinzip von auf dem Eis gleiten noch nicht so ganz verstanden und versucht daher immer noch normal zu gehen. Dabei sieht sie ein bisschen wie eine Ente aus 🙂 Aber Übung macht ja bekanntlich den Meister.
Später musste ich noch nicht einmal fürs Parken bezahlen, da seltsamer Weise die Schranken im Parkhaus oben waren. Wahrscheinlich haben sie den Pförtner wegen des Sturmes schon nach Hause geschickt. Auf dem Heimweg hat es dann leicht angefangen zu schneien.

Hier muss ich noch kurz einfügen, wie ich mir einen Schneesturm vorgestellt habe. Vor meinem inneren Auge sah ich einen richtig starken Schneefall, so dass man noch nicht einmal einen Meter weit gucken kann. Dazu noch richtige Windböen, die dich fast von den Füßen reißen und für Verwehungen sorgen.
Daher habe ich am Anfang die ganze Zeit darauf gewartet, dass der Schneefall stärker werden würde. Aber davon war nichts zu sehen. Es blieb die ganze Zeit bei diesem leichten Schneefall. Die Schneemassen sind nur dadurch zustande gekommen, da es zwei Tage durchgeschneit hat. Das man diesen „Sturm“ trotzdem als Blizzard bezeichnen darf, hat man den starken Winden verdanken. Die haben aber auch erst so richtig am Samstagabend eingesetzt.
Die Menschen hatten auch nicht sehr viel Angst vor dem Sturm und so waren vielen draußen unterwegs. Sehr zum Leidwesen der Behörden, die immer wieder durch die Medien dazu aufgerufen haben, im Haus zu bleiben.
Am Sonntagmorgen hat mich schon wieder ein strahlend blauer Himmel begrüßt und man konnte nun ausreichend die 60 cm Neuschnee bewundern und genießen. Es war und ist immer noch wunderschön anzusehen. Obwohl der Sturm vorbei war, wurden trotzdem die Gottesdienste in den Kirchen abgesagt und man wurde immer noch dazu aufgefordert, wenn es geht, das Auto stehen zu lassen.
Wenn wir gerade von Autos reden, unser Nachbar war über eine Stunde damit beschäftigt, sein Auto von und aus den Schneemassen zu befreien. Wir können unsere Autos überhaupt nicht benutzen. Die Garage führt auf die kleine Straße hinterm Haus und die steht natürlich ganz unten auf der Prioritäten-Liste des Bezirks. Daher befinden sich dort immer noch 60 cm unberührter Schnee. Auf den freigeräumten Straßen türmen sich sich die Schneeberge am Rande, die höher als ein Erwachsener sind. Daher sind die Autofahrer schon fast gezwungen, Slalom zu fahren.

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Straße hinterm Haus!

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Ich musste am Sonntag zwar nicht arbeiten, da ich aber auch raus in den Schnee wollte, bin ich mit Claire auf den Spielplatz zum Rodeln. Ella wollte nicht mit. Die xBox war viel interessanter als der Schnee. Das wäre mir damals als Kind nie passiert. Sobald Schnee lag, hat Mutter uns nicht mehr gesehen, da wir den gesamten Tag bis zur Dämmerung draußen verbracht haben. Mein Host Dad war mit Schneeschippen beschäftigt, so wie die halbe Nachbarschaft.
Das Rodeln hat leider nicht ganz so gut funktioniert. Der Schnee war wohl noch nicht reif genug dafür. Daher haben wir die Schlitten bald zur Seite gelegt und angefangen einen Schneemann zu bauen. Claire hat ihn liebevoll Frosty genannt. Ich weiß, Claire ist richtig einfallsreich bei Namen 🙂 (Achtung, dass war wieder Ironie). Frosty ist größer als Claire und ich glaube sogar ein Stückchen größer als ich.
Zum Rodeln muss ich noch sagen, dass die Amis auf diesem Gebiet ziemlich langweilig sind. Für die reicht schon der kleinste Abhang, um sie glücklich zu machen. Da würden deutsche Kindr nur den Kopf schütteln. Die Abfahrt sollte schon länger als fünf Sekunden dauern.20160124_12125220160124_111308

Abends haben wir uns auf zum Hard Times Cafe gemacht. Es heißt zwar Cafe, ist aber ein Restaurant mit intigrierter Sportsbar.Wir mussten auf einen Tisch warten, da es ziemlich voll war. Der Grund war einfach. Erstens waren die Leute froh, ihre Häuser wieder verlassen zu könne und zweitens standen zwei sehr wichtige Football-Spiele an. Die beiden Sieger dieser Spiele werden bald im Superbowl gegen einander antreten.
Claire war leider von den ganzen Fernsehern um sich herum ziemlich abgelenkt und hat daher das Essen größtenteils vergessen.
Wir hatten einen Tisch direkt am Eingang und konnten daher das stetige Kommen und Gehen beobachten. Bei einem ankommenden Gast hat mein Host Dad uns später aufgeklärt, dass es sich bei ihm um den Trainer der Capitals handelte. Wer es noch nicht weiß, ich bin hier zu einem riesigen Capital Fan mutiert. Dabei handelt es sich um eine Eishockey-Mannschaft, die hier in Arlington sogar trainiert und daher wohnen die meisten Spieler auch hier – der Coach anscheinend auch.

Heute waren die Schulen natürlich auch noch geschlossen. Wir hätten Claire auch nicht zur Schule bringen können, da unsere Autos ja durch den Schnee eingesperrt sind.
Also ging es wieder zum Park, wo die Mädchen auch direkt andere Kids in ihrem Alter getroffen haben. Sie sind dann alle gemeinsam gerodelt. Diesmal hat das Ganze besser funktioniert. Nach einer Stunde ging es dann aber zum Community Haus. Im Deutschen würde man es wahrscheinlich als Bürgerhalle bezeichnen. Unsere Nachbarschaft hat sich nämlich gedacht, wenn die Kinder schon nicht zur Schule gehen, kann man sich ja trotzdem treffen, ein paar Spiele spielen und Gemeinschaft haben. Darüber war ich sehr froh, da dadurch die Zeit viel schneller verflog. Wir haben gemeinsam gepuzzelt, Ella hat sich ziemlich gut mit drei älteren Mädchen verstanden und später kam noch ein anderes Au pair und wir haben gemeisam UNO gespielt. Eine der Frauen, die dieses Angebot auf die Beine gestellt hat, konnte sogar Deutsch und wir haben uns ein bisschen unterhalten.
Ruckzuck waren zweieinhalb Stunden vorbei und es war Zeit, nach Hause zum Mittagessen zu gehen.

In den letzten paar Tagen hatten wir auch mal den Ofen an. Aber irgendwie ist dieser Kamin seltsam. Im ganzen Haus riecht es nun nach Lagerfeuer und die Klamotten haben den Geruch auch schon angenommen. Außerdem ist schon mehrmals der Feueralarm losgegangen, als mein Host Dad Holz nachgelegt hat.

Wer sich wundert, warum ich in diesem Beitrag nichts über meine Host Mum geschrieben habe, die sitz momentan aufgrund des Sturmes in Arizona fest, da all ihre Flüge abgesagt wurden. Eigentlich sollte sie am Freitag schon nach Hause kommen. Jetzt kommt sie doch erst heute abend, wenn alles gut geht.

Wir könne sehr dankbar dafür sein, dass der Strom nicht ausgefallen ist, die Wasserleitungen nicht eingefroren sind, das Dach unter der Schneelast nicht zusammengebrochen ist und wir noch nicht von einem gigantischen Eiszapfen erschlagen wurden. Die sieht man hier nämlich an fast jedem Hausdach hängen. Wir haben auch einen am Dach hängen und die Kinder bleiben natürlich immer direkt darunter stehen.
Das Treppengeländer zum Kellereingang ist von einer fünf Zentimeter dicken Eisschicht umgeben von der Eiszapfen herunter hängen.

Es ist übrigens sehr lustig Claire im Schnee zu sehen. Der Schnee reicht schließlich bis zu ihrem Bauchnabel und sie kommt kaum oder nur sehr schwer voran. Beim ersten Mal musste ich mich deswegen richtig kaputt lachen.

Die Kleine ist übrigens grade wieder aufgewacht und ich muss wieder an die Arbeit.

Wie ihr seht, habe ich den Sturm gut überstanden. Ich muss leider dadurch nur mehr arbeiten. Aber ansonsten geht es uns allen gut.

P.S.: Wir waren gerade auswärts zu Abend essen und auf dem Weg zum Restaurant sind uns relativ viele Trucks entgegen gekommen, die alle Schnee geladen hatten. Mein Host Dad meinte, die werden den Schnee wahrscheinlich in den Fluss schmeißen oder auf einem verlassenen Parkplatz abladen.

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