Adventure in Florida (Part II)
Mittwoch:
Den Begriff „Schnappsidee“ hat wohl jeder von euch schon einmal gehört. Am Mittwoch durfte ich erfahren, wie sich eine „Schnappsidee“ am eigenen Leib anfühlt.
Wenn man in Florida Urlaub macht, dann kommt man nicht darum herum, auch die Everglades zu besichtigen. Bei Wikipedia werden die Everglades als „tropisches Marschland“ bezeichnet. Damit kann wohl keiner etwas anfangen – ich auch nicht. Bei den Everglades handelt es sich um den langsamsten fließenden Fluss auf der Welt (1 Meter pro Stunde). Er ist an manchen Stellen bis zu 60 km breit, aber da er nicht sehr tief ist, ist eigentlich seine gesamte Fläche mit Gras bewachsen.
Ronja und ich wollten unbedingt dort hin. Allerdings hatten wir weder ein Auto, noch konnten wir einen anderen Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln herausfinden, um zu einer Alligatoren-Farm am Rande der Everglades zu gelangen.
Also dachten wir uns – nehmen wir halt die Fahrräder. Unser Host war nämlich so nett und hat Fahrräder für seine Gäste bereitgestellt. Google-Maps hat angegeben, dass die Tour zwei Stunden dauern würde. „Das schaffen wir locker“, dachten wir uns und auf der Karte sah der Weg zudem sehr einfach aus. Der größte Teil des Weges bestand aus geradeaus fahren.
Morgens fingen die Probleme schon an. Wir haben die Fahrräder auf dem Weg zum Supermarkt ausprobiert. Dabei stellte Ronja fest, dass bei ihrem Fahrrad, der Lenker viel zu tief war und sie dadurch eine ungünstige Körperhaltung einnehmen musste. Und bei meinem Rad hat die Hinterbremse nur sehr schlecht funktioniert.
Aber da wir daran nichts ändern konnten, haben wir es einfach hingenommen. Noch vor dem Haus stellte sich ein neues Problem. Ronjas Tasche entpuppte sich als zu unhandlich, um sie auf dem Fahrrad zu transportieren. Die Tasche blieb also zu Hause und damit auch unsere Verpflegung und Ronjas Wasserflasche. Das haben wir nämlich nicht in unsere Umhängetaschen rein bekommen.
Auf den ersten Metern dachte ich noch: „Wow, diese Fahrradtour wird mega cool werden.“ Aber zu diesem Zeitpunkt ging es bloß durch eine Wohngegend. Ziemlich bald führte uns Google Maps schon auf einen viel befahrenen Boulevard. So weit auch noch kein Problem, da es einen Radweg gab. Allerdings war der Straßenlärm doch etwas nervig und laut.
Auf einmal hat der Radweg aufgehört, da wir zu einer Brücke gelangten. Vor uns türmte sich ein ganzes Gewirr aus Autobahnbrücken und unser Weg führte direkt hindurch, da auch der Boulevard hindurchführte.
Ich habe mich absolut nicht wohlgefühlt, als wir auf dem Seitenstreifen über diese Brücke gefahren sind. Dabei mussten wir auch an ein paar Autobahnauffahrten und -abfahrten vorbei. Ich war so erleichtert, als wir endlich von der Brücke runter waren und der Radweg wieder anfing.
Leider war das nicht die letzte Brücke und es folgte ziemlich bald eine weitere. Google Maps ist schon ein mieser Verräter.
Nach einer gefühlten Ewigkeit mussten wir auf den Orange Drive abbiegen. Neben dieser Straße führte ein Rad- ,Wander-, und Reitweg entlang. Das war der schönste Part dieser Tour. Der Weg verlief nämlich parallel zu einem Kanal und so konnten wir beim Fahren Echsen, Schildkröten und Vögel erspähen. Es war einfach immer weiter geradeaus. Dieser Part der Strecke wäre noch schöner gewesen, wenn unsere Hintern nicht schon so weh getan hätten.
Übrigens mussten wir beim Fahren immer anhalten und den Weg auf dem Handy nachschauen. Das war ziemlich nervig und hat Zeit gekostet.
Zum Ende hin waren wir schon richtig erschöpft und konnten zu allem Übel eine der Straßen nicht finden. Also mussten wir eine andere Straße nehmen. Diese war kaum befahren und führte an einer Schule nach der anderen vorbei. Es war wirklich ein Stadtteil, dass nur aus Schulen bestand. Schulen sehen hier in den USA übrigens eher wie Gefängnisse und nicht wie Lehranstalten aus.
Endlich kamen wir ans Ende der Straße, nur um festzustellen, dass Google Maps wollte, dass wir einen Highway entlang fahren. Das ging mir total gegen den Strich, aber Umkehren war keine Option mehr. Dazu waren wir viel zu weit gekommen. Wir haben versucht uns so weit wie möglich von den Autos und Trucks fernzuhalten und haben uns ganz am Rande vom Seitenstreifen gehalten. Nach ein paar Metern haben wir eine Raststätte erreicht und erstmal angehalten.
Ronja ist reingegangen, um sich was zu Trinken zu kaufen und ich habe mich draußen über die verwunderten Gesichter der Truck-Fahrer amüsiert. Die haben sich bestimmt gewundert, wie zwei Mädchen mit Fahrrädern zu einer Autobahnraststätte gelangen können.
Schon bald ging es weiter. Zum Glück war es nicht mehr sehr weit und bald schon durften wir endlich auf die Zufahrtsstraße zur Farm einbiegen.
Wir waren so erleichtert, aber auch so am Ende, als wir dort ankamen. Wir sind 37 km durchgestrampelt, da es nur flach daher ging und man sich daher nicht mal bei einer Abfahrt entspannen konnte.
Die Tour hat uns vier Stunden gedauert und die gesamte Zeit über hat die Sonne heiß auf uns hinunter gestrahlt.
Am Ticketschalter stellte Ronja fest, dass sie auch ihren Rabatt-Coupon in ihrer Tasche zu Hause gelassen hat. Wir haben daher mit einem Coupon nicht so viel Rabatt bekommen wie wenn wir getrennt bezahlt hätten. Aber sehen wir es positiv – immerhin haben wir Rabatt bekommen.
Draußen auf der Veranda haben wir uns erstmal von den Strapazen erholt, bis unser Boot aufgerufen wurde. Es stand nämlich eine Airboat-Tour bei uns auf dem Programm. Vorher wurde noch ein Foto von uns geschossen und ab ging es ins Boot. Wir hatten Glück und uns wurden Plätze direkt am Rand zugeteilt. Wir hatten also den perfekten Ausblick.
Der Wind bei der Fahrt tat richtig gut auf unseren erhitzten Gesichtern. Ich habe mir die Fahrt aber schneller vorgestellt. Auf jeden Fall sieht es schneller aus.
Die Tour war mega cool. Eine Stunde lang sind wir durch die Everglades gekurvt und der Bootsführer hat uns ein bisschen was über die Umgebung erzählt. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Florida früher mal ein Korallenriff war?
Eins der Probleme, mit denen der Nationalpark zu kämpfen hat, sind Schlangen. Man geht davon aus, dass sich Privatleute exotische Schlangen gehalten haben, aber mit denen nicht klar gekommen sind. Also wurden sie in die freie Natur entlassen und dort vermehren sie sich jetzt. Diese Schlangen sind natürlich eine Gefährdung für das Ökosystem in den Everglades. Außerdem scheren sich diese Schlangen sehr wenig um Artenschutz-Bestimmungen und futtern daher auch gerne mal einen Vogel, der eigentlich unter Artenschutz steht.
Die größte bisher in den Everglades gefangene Schlange war fast sechs Meter lang. Als man ihren Mageninhalt untersuchte, stellte man fest, dass sie unteranderem einen gesamten Alligator verspeist hatte.
Das Highlight der Tour war natürlich die Erspähung einen Alligators. Dieser sonnte sich in der Sonne und hat sich kein bisschen gestört gefühlt, als wir mit dem Boot um ihn herum gekurvt sind. Dabei ist das Boot richtig laut.
Zum Ende hin hat unser Guide eine Kette aus einer der Blumen in den Everglades gebastelt und sie Ronja geschenkt. Zum Glück hat er vorher überprüft, ob eine giftige Wasserspinne sich in der Blüte versteckt hat.
Nach der Tour konnten wir uns noch eine Show anschauen. Von der war ich aber ein bisschen enttäuscht. Die Frau hat ein bisschen was über die Rescue Arbeit auf der Farm erzählt. Auf dieser Farm leben nämlich Alligatoren, die nicht mehr in die Freiheit entlassen werden können, da sie sich schon zu sehr an Menschen gewöhnt haben. Diese Alligatoren kamen zum Beispiel durch Verletzungen oder Krankheiten auf die Farm und wurden dort betreut.
Zum Ende hat sie sich noch die Schnauze eines Alligators zwischen Kinn und Brust geklemmt und das war es auch schon.
Den Begriff Show finde ich daher ziemlich unangebracht. Aber ich bin froh darüber, dass sie die Tiere nicht so viel Stress aussetzen und mit denen kein Kasperletheater vorführen.
Und schließlich ging Ronjas Traum in Erfüllung. Sie durfte einen Babyalligator halten. Das hat zwar 10 Dollar gekostet, aber das war uns egal. Danach war ich an der Reihe. Der Alligator hieß Arya wie bei Game of Thrones. Als GoT Fans fanden wir das natürlich klasse.
Der Moment wurde auf einem Foto festgehalten. Das Foto würde auch mega cool aussehen, wenn ich nicht immer noch den Status „Dauerhaftes Erröten“ durch den Sonnenbrand im Gesicht gehabt hätte. Dafür macht Arya eine umso bessere Figur.
Wir holten uns noch unsere Fotos ab und dann hieß es, einen Weg nach Hause zu finden. Es stand fest, dass wir diese 37 km nicht noch einmal mit dem Fahrrad zurücklegen würden. Also dachten wir, holen wir uns ein Taxi. Aber kein Taxi war bereit, unsere zwei Fahrräder mitzunehmen.
Wir wollten schon resigniert aufgeben und doch mit den Rädern nach Hause fahren, als uns ein Mann ansprach, da er uns Deutsch hat sprechen hören. Er konnte auch ein bisschen Deutsch und war glücklich darüber, seine Kenntnisse etwas anwenden zu können. Als wir ihm unsere Lage schilderten, meinte er, dass wir den Bus nehmen könnten. Er tauschte sich noch mit anderen Leuten darüber aus, wo sich die Bushaltestelle befände und wie wir dort am besten hinkommen würden. Der Austausch fand so statt, dass beide Partien lautstark über den Platz gerufen haben, da man nicht nebeneinander stand.
Der Weg war einfach. Dem Highway folgen und dann links abbiegen und schon würden wir da sein. Ich habe nachgefragt, ob es hier überhaupt erlaubt sei, mit dem Fahrrad auf dem Highway zu fahren. In Deutschland ist es schließlich streng untersagt. Er meinte aber, dass sei kein Problem.
Wir bedankten uns überschwänglich und machten uns auf den Weg.
Ich glaube, es tat noch mehr weh, erneut aufs Fahrrad zu steigen, als wenn man eine lange Strecke durchfährt. Diesmal tat nicht mehr nur mein Hintern weh, sondern auch meine Beine. Also hieß es immer abwechselnd im Stehen und im Sitzen fahren. Ronja hatte es noch schwerer, da bei ihr auch die Hände weh taten, weil sie mit ihrem gesamten Gewicht auf dem Lenker hing. Außerdem rollte ihr Fahrrad nicht so weit aus wie meins und daher musste sie schneller wieder in die Pedalen treten als ich.
Ich war erleichtert, dass die meistens Autofahrer und auch Truckfahrer die Fahrbahn wechselten, als sie uns auf dem Seitenstreifen sahen. Das ging natürlich nicht immer und so rauschten doch ab und zu die dicken Trucks direkt an uns vorbei. Die Erleichterung war groß, als wir vom Highway auf einen Boulevard einbiegen konnten und wir bald darauf auch die Bushaltestelle fanden.
Eins kann ich euch sagen – ich werde nie nie nie nie nie nie wieder mit dem Fahrrad auf einem Highway fahren!!!
Nach ein paar Minuten kam auch endlich der Bus. Hier nimmt man sein Fahrrad übrigens nicht mit in den Bus. Stattdessen haben die Busse hier vorne einen Fahrradständer dran. Das finde ich eine richtig gute Idee. Fahrräder sind schließlich unhandlich und sperrig.
Mitten während der Fahrt hielt der Busfahrer auf einmal auf dem Seitenstreifen an, stieg aus und ging zu einer Tankstelle rüber und verschwand im Gebäude. Nach einigen Minuten kam er mit einer Einkaufstüte wieder und fuhr weiter. So etwas würde in Deutschland nie passieren. Am Vortag hatten wir ständig Rülpsgeräusche im Bus, die über Funk kamen. Hier in den USA erlebt man halt immer etwas auf Busfahrten.
Unsere Busfahrt nach Hause hat drei Stunden gedauert. Das war uns aber so was von egal. Wir waren nur froh, sitzen zu können und uns nicht abstrampeln zu müssen.
Dieser Tag wird mir sehr wahrscheinlich für immer in Erinnerung bleiben!